45. V könnte gegen K einen Anspruch auf Abnahme und Bezahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB haben.
Hierzu sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen, ein Angebot und eine Annahme, erforderlich.
K könnte hier mit dem Abschicken des Briefes durch N ein Angebot abgegeben haben.
Abgegeben ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, wenn sie als ein an den Empfänger gerichteter, verbindlicher Regelungsakt bewusst verlautbart ist und der Erklärende alles getan hat, was bei normalem Verlauf der Dinge geeignet ist, den Zugang der Erklärung zu bewirken.
K hat sein Angebot bewusst niedergeschrieben und insofern auch willentlich geäußert. Ferner hat er durch die Übergabe des Angebots an N, verbunden mit der Weisung, das Angebot in den Postkasten werfen, damit die Post es übermitteln kann, alles erforderliche getan, um den Zugang der Willenserklärung bei V zu bewirken.
K hat folglich die Willenserklärung abgegeben.
Zwar hat K nach der Abgabe seinen Willen geändert und versucht, die Willenserklärung zurückzuerhalten, was jedoch an der bereits erfolgten Abgabe nichts ändert. Dies folgt auch aus § 130 Abs. 1 BGB, wonach das Wirksamwerden einer abgegebenen Willenserklärung nur dadurch abgewendet werden kann, dass der Erklärende entweder den Zugang beim Erklärungsempfänger tatsächlich verhindert, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB oder aber dem Erklärungsempfänger gegenüber vor oder gleichzeitig mit dem Zugang die Willenserklärung widerruft, § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB.
K hat somit das Angebot abgegeben.
K muss sich das von N fälschlicherweise übermittelte Vertragsangebot zurechnen lassen, denn bei der Übermittlung einer Willenserklärung durch einen Boten ist dies dann der Fall, wenn dem Boten eine entsprechende Botenvollmacht erteilt worden ist. Wenn der Bote allerdings ohne Botenvollmacht die Willenserklärung des Geschäftsherrn übermittelt, liegt eine Scheinübermittlung vor, die dem Geschäftsherrn dann nicht zuzurechnen wäre.
Vorliegend bittet K den N, die Briefe in den Postkasten einzuwerfen. K ermächtigt N zur Übermittlung und räumt ihm daher Botenvollmacht ein.
K hat die Botenvollmacht des N auch nicht entsprechend § 168 BGB widerrufen. Denn ein Widerruf wird als mündliche empfangsbedürftige Willenserklärung erst wirksam, wenn der Erklärungsempfänger sie wahrnimmt (Verkehrsschutzinteresse).
K muss sich folglich das von N fälschlicherweise übermittelte Vertragsangebot zurechnen lassen.
Das Angebot des K ist V gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen.
V nahm das Vertragsangebot des K an.
Da das Widerrufstelefax erst nach Zugang des Angebots V zuging, war der Widerruf verspätet.
Anfechtungsgründe liegen nicht vor. Eine unrichtige Übermittlung i.S.d. § 120 BGB ist nicht gegeben. Denn der Inhalt des Angebots wurde durch die Übermittlung nicht verändert. § 120 BGB betrifft insbesondere Fälle des Versprechens.
Aber: Für einen Fernabsatzvertrag gilt die Vorschrift des § 312b BGB. K kann somit den Vertragsschluss nach den §§ 312d, 355 BGB widerrufen und muss dann weder den Kaufpreis bezahlen noch die Ware abnehmen.
Ergebnis:
V hat gegen K somit keinen Anspruch auf Abnahme und Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB, wenn K den Vertragsschluss widerruft.