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6. Übungen Learncard 7757130


Question

47. A, ein Hobbybäcker, beschließt, sich einen Holzbackofen zuzulegen. Da der Ofen recht teuer ist, verlangt der Verkäufer H von A eine Sicherheit. Ansonsten will H ihm den Ofen nicht aushändigen. Kurz entschlossen ruft A seine Schwester S an und bittet sie, für ihn gegenüber H zu bürgen. S setzt handschriftlich eine entsprechende Bürgschaftserklärung auf, unterschreibt sie und sendet sie umgehend per Telefax an H. Dies genügt H. Er übergibt den Holzbackofen an A. Kann H, falls A den Kaufpreis nicht zahlt, S auf Zahlung in Anspruch nehmen?


Answer

47. H könnte gegenüber S einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (zur Begleichung der Kaufpreisverbindlichkeit des A) aus § 765 Abs. 1 BGB haben.

Dazu müssten H und S sich mit dem Inhalt eines Bürgschaftsvertrags geeinigt haben und der Einigung dürften keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen. Zwischen H und S kam eine Einigung über den Bürgschaftsvertrag i.S.d. § 765 BGB zustande.

Fraglich ist lediglich, ob diese auch wirksam ist. Sie könnte hier mangels Einhaltung des Formerfordernisses gemäß § 766 BGB nach § 125 Satz 1 BGB nichtig sein.

Zur Gültigkeit eines Bürgschaftsvertrags ist nach § 766 Satz 1 BGB die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich.

Hinweis: Diese Formvorschrift findet nach § 350 HGB aber keine Anwendung, sofern die Bürgschaft auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft i.S.d. § 343 HGB ist. Das ist dem Sachverhalt aber nicht zu entnehmen, so dass § 350 HGB hier nicht zur Anwendung kommt.

Fraglich ist, ob S die von § 766 Satz 1 BGB geforderte Schriftform durch Übersendung des Telefaxes eingehalten hat. Die Anforderungen an die Schriftform bestimmen sich nach § 126 BGB, d.h., es muss eine Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

Eine Urkunde ist die schriftliche Verkörperung einer Erklärung. Das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft muss in einer Urkunde enthalten sein.

Die Unterzeichnung muss den Text der Urkunde räumlich abschließen.

Ein Nachtrag erfordert eine neue Unterschrift.

Zwar hat S in diesem Sinne das Schriftstück mit allen wesentlichen Angaben zu Inhalt und Umfang der Bürgschaftsverpflichtung eigenhändig geschrieben und unterschrieben, sodass eine Urkunde entstanden ist, die die Anforderungen nach § 126 Abs. 1 BGB erfüllt. Zweifelhaft ist aber, ob die im Wege des Faxvorgangs übermittelte Urkunde, die H nun in Händen hält, den Anforderungen der §§ 766 Satz 1, 126 Abs. 1 BGB ebenfalls genügt. Schließlich verlangt § 766 Satz 1 BGB die schriftliche „Erteilung“ der Erklärung. Mit Blick darauf, dass § 766 Satz 1 BGB durch das Erfordernis der schriftlichen Erteilung der Bürgschaftserklärung den Bürgen zu größerer Vorsicht anhalten und vor Übereilung schützen will (Warnfunktion), kann die Fernkopie der schriftlichen Originalerklärung mittels Telefax die Anforderungen des § 126 BGB nicht erfüllen.

Das Telefax stellt daher keine formgültige Bürgschaftserklärung gemäß §§ 766 Satz 1, 126 Abs. 1 BGB dar.

Jedoch könnte das Telefax der Textform des § 126 b BGB genügen.

§ 126 b BGB regelt mit der Textform einen Formtyp der lesbaren, aber unterschriftlosen Erklärung und erfüllt daher keine der klassischen Formzwecke (Warnfunktion, Beweisfunktion, Belehrungsfunktion).

Sie ist für Erklärungen und Mitteilungen angemessen, in denen die klassischen Formfunktionen keine Rolle spielen. Bei einer Bürgschaftserklärung kommt es jedoch gerade auf die Warnfunktion an, sodass das Telefax der Textform des § 126 b BGB nicht genügt.

Somit ist die vom Gesetz vorgeschriebene schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung gemäß §§ 766 Satz 1, 126 BGB nicht eingehalten worden.

Das bedeutet, dass die Einigung gemäß § 125 5. 1 BGB an sich nichtig ist.

Ergebnis:

Mithin ist die Bürgschaftserklärung der S gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig und folglich haben H und S mangels Einhaltung der erforderlichen Form keinen wirksamen Bürgschaftsvertrag i.S.d. § 765 BGB abgeschlossen.

H hat gegenüber S keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (Begleichung der Kaufpreisverbindlichkeit des A) aus § 765 Abs. 1 BGB.

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