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Literatur Learncard 18572773


Question

Aufklärung

Nathan der Weise- Die Ringparabel


Zeigen Sie, wie Lessing die Kernstelle der Ringparabel, die Erzählung des Juden, die er durch die Lektüre von Boccaccios „Decamerone“ kennen gelernt hatte, für seine Zwecke verändert.


Answer

Aufklärung

Nathan der Weise- Die Ringparabel


Die Ringparabel bei Boccaccio und Lessing


  • Bei Boccaccio bleibt die Frage nach der „richtigen Religion“ unbeantwortet. Aufgrund des identischen Aussehens der Ringe kann sie auch nicht beantwortet werden.
  • In Lessings Drama gelingt es einem Richter, den Streit um den echten Ring zu schlichten.
  • Der Richter entscheidet aber nicht über die Echtheit des Ringes. Er gibt den Trägern der identischen Ringe einen Auftrag, aus dem ersichtlich werden würde, wer den „rechten Ring“ besitzt: Nur wer sich „vor Gott und Menschen angenehm“ macht, ist der Träger des „rechten Ringes“.
  • Damit regt der Richter in Lessings Drama einen Wettstreit der Religionen an: Jeder Gläubige solle praktische Humanität und Toleranz zeigen, keiner annehmen, er sei im Besitz der Wahrheit und vertrete die „richtige“ Religion.
  • Diese Lösung entspricht dem Gedankengut der Aufklärung: Kein Mensch soll seine Position von vornherein für die richtige halten. Erst im praktischen Handeln erweist sich ihr Gehalt.



Wissensteil:


Bedeutung und Funktion der Ringparabel


Das Kernstück des Dramas ist die Ringparabel (3. Aufzug, 7. Auftritt), in der Nathan die Frage Saladins nach der einzigen wahren Religion beantwortet. Er erklärt die drei großen Offenbarungsreligionen – Judentum, Christentum und Islam – für gleichwertig. Saladin erkennt in der Parabel die Lehre praktischer Humanität auf der Grundlage religiöser Toleranz als Voraussetzung einer humanen Gesellschaftsordnung.


Die Ringparabel vor Lessing


Der Ringparabel liegt die 3. Erzählung des 1. Tages in Boccaccios „Decamerone“ zugrunde. Inhalt: Ein Königshaus besaß einen Ring, der seinen Besitzer „angesehen, geachtet und geschätzt“ sein ließ und jeweils dem Lieblingssohn des Herrschers vererbt wurde. Als sich einer der Könige nicht entscheiden konnte, welcher seiner Söhne ihm der liebste sei, ließ er zwei weitere, dem ursprünglichen zum Verwechseln ähnliche Ringe anfertigen. Als nach dem Tod des Königs der Schwindel aufflog, konnte niemand den ursprünglichen Ring erkennen. Wer also der rechtmäßige Erbe war, konnte nicht festgestellt werden.


Lessings Akzentverschiebung


In Lessings Drama schlichtet ein Richter den Streit um den echten Ring, indem er das Verhalten des Trägers zum Kennzeichen der Echtheit des Ringes erklärt: Nur wer sich „vor Gott und Menschen angenehm“ macht, ist des rechten Ringes würdig. Damit regt Lessing einen Wettstreit der Religionen an: Im Sinn der Aufklärung soll jeder Gläubige praktische Humanität und Toleranz zeigen, keiner annehmen, er sei im Besitz der Wahrheit und vertrete die „richtige“ Religion.


Bedeutung der Ringparabel


Lessing bedient sich der literarischen Gattung der Parabel, um die Kernaussage seines Dramas zu verdeutlichen.


Die Gattung Parabel


  • Die Parabel gibt eine Aussage verschlüsselt wieder; der Leser/Zuschauer muss sie für sich entschlüsseln, um ihre Aussage zu verstehen. Schließlich soll er sein Handeln an den gewonnenen Erkenntnissen ausrichten.
  • Das aus der Mathematik abgeleitete Modell der Parabel stellt die Bildebene (das im Drama Gezeigte) der Sachebene (das Gemeinte) gegenüber. Der Leser/Zuschauer soll in einem dritten Schritt das „tertium comparationis“ (das Dritte, was die beiden Ebenen gemeinsam haben) erkennen und in seinem praktischen Handeln umsetzen.
  • Der damit verbundene Denkprozess ist Bestandteil des aufklärerischen Bildungsideals: Der Mensch soll zu einem selbstdenkenden, kritischen Individuum erzogen werden, das nicht fremdbestimmt, sondern aufgrund eigener Überlegungen handelt.
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