Wissensteil:
Die Kapitulation
Am 30. April heroisierte der Reichsrundfunk den Selbstmord Hitlers durch die Meldung, dass der Führer in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzuge für Deutschland kämpfend, gefallen sei. Mit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai war der von Reichspropagandaminister Goebbels am 19.4.1945 verkündete „letzte Akt eines gewaltigen tragischen Dramas“ zu Ende gegangen. Deutschland und weite Teile Europas boten ein Bild der Zerstörung und des Grauens, die Welt hatte sich durch die zwölf Jahre des „Tausendjährigen Reiches“ (NS-Bezeichnung) grundlegend und nachhaltig verändert.
Die „Stunde Null“
Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg war die Niederlage des Deutschen Reichs 1945 so offensichtlich und total, dass sich diesmal eine zweite Dolchstoßlegende auch nicht ansatzweise ausbilden konnte. Zum ersten Male in der neueren Geschichte wurden die gesamten Streitmächte des Hauptkriegsgegners (Deutschland) zu Kriegsgefangenen gemacht, zum ersten Male wurde dessen gesamtes Staatsgebiet besetzt und die gesamte politische Macht von den Besatzungsmächten ausgeübt. Der unmittelbare Eindruck des Kriegsendes im zerstörten Deutschland und die katastrophalen Lebensbedingungen veranlassten viele Deutsche, vom „Ende der deutschen Geschichte“ zu sprechen. Obwohl viele das Kriegsende als Stunde der Befreiung von einem menschenverachtenden Regime begrüßten, bedeutete die unmittelbare Nachkriegszeit für die meisten Deutschen die „Stunde Null“. Dieser schwammige Begriff bezeichnet eine diffuse Stimmungslage: Er beinhaltet den absoluten Tiefpunkt der neueren deutschen Geschichte, bedeutete aber gleichzeitig für viele die Chance, mit der Gestaltung der Zukunft bei Null anfangen zu können.
Flucht und Vertreibung
Der Zweite Weltkrieg löste die bis dahin größte Fluchtbewegung in der Geschichte der Menschheit aus. Insgesamt 25 bis 30 Mio. Menschen flohen oder wurden vertrieben. Bereits Anfang 1945 flohen 5 Mio. Deutsche aus den Ostgebieten vor der Roten Armee. Die Siegermächte hatten zu Potsdam die „ordnungsgemäße“ und „humane Umsiedlung“ der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn vereinbart. Dennoch wurde die Zwangsaussiedlung nach Kriegsende von schrecklichen Ereignissen begleitet. Die Brutalität der Roten Armee und der Hass der vom Dritten Reich unterdrückten und misshandelten Völker entluden sich in unmenschlicher Weise gegenüber Zivilisten. Morde, Vergewaltigungen, Plünderungen und andere Verbrechen waren an der Tagesordnung. Ca. 12,4 Mio. Deutsche aus den Ostgebieten mussten als Flüchtlinge oder Vertriebene ihre Heimat verlassen. Mehr als 2 Mio. kamen dabei um. Ausmaß und Ablauf der Vertreibung veranlassten Churchill noch im Jahre 1945 von einer „Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes“ zu sprechen.
Trümmerfrauen
Bei Kriegsende türmten sich im zerbombten Deutschland ca. 400 Mio. Kubikmeter Schutt auf. Für dessen Beseitigung verpflichteten die Besatzungsbehörden alle Männer zwischen 14 und 65 Jahren und alle Frauen zwischen 15 und 50. In der männerarmen Zeit waren viele Frauen gezwungen, aus purer Not diese Schwerstarbeit (für 60 Pfennige/Stunde) zu verrichten. Trümmerfrauen kamen in die zweithöchste Berechtigungsklasse der Nahrungsmittelzuteilung und konnten so das Überleben ihrer Familien sichern. Mit einer „Arbeitskarte“ konnten sie doppelt so viel Brot und fünfmal so viel Fett und Fleisch kaufen als mit der völlig unzureichenden Hausfrauenkarte. Die Trümmerfrauen wurden zum Symbol des Aufbauwillens und der Überlebenskraft der Deutschen in den Nachkriegsjahren.