Wissensteil:
Drei Götter kommen auf die Erde, um einen „guten Menschen“ zu finden. Die Prostituierte Shen Te ist bereit, sie über Nacht bei sich aufzunehmen und erhält als Lohn mehr als tausend Silberdollar, damit sie einen Tabakladen eröffnen kann. Die Menschen kommen gern in ihren Laden – doch nicht um etwas zu kaufen, sondern um sich von der „guten“ Shen Te in ihren finanziellen Nöten aushelfen zu lassen. Wenn das Mädchen nun seine Existenzgrundlage nicht verlieren will, muss es aufhören, „gut“ zu sein. So verwandelt Shen Te sich in Shui Ta und gibt sich für ihren Vetter aus. Dieser kann es sich nun erlauben, die Schmarotzer aus dem Laden zu werfen. In der Rolle Shui Tas geht Shen Te sogar so weit, eine bald florierende Tabakfabrik zu eröffnen, in der die Arbeiter ausgebeutet werden, um den Gewinn zu sichern. Die Menschen in Sezuan fragen sich bald, wo Shen Te geblieben sein mag, und verdächtigen Shui Ta, sie getötet zu haben. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, bei der die drei Götter als Richter auftreten. Vor Gericht deckt Shen Te ihre Doppelexistenz auf und begründet diese damit, dass sie nicht zugleich gut sein und doch leben könne. Die Götter sind blind für das Problem Shen Tes und kehren auf einer rosa Wolke in den Himmel zurück.
Das Parabelstück „Der gute Mensch von Sezuan“ ist dem epischen Theater zuzurechnen: Die Handlung entwickelt sich nicht chronologisch, sondern sprunghaft in der Form des Stationentheaters. Die Schauspieler führen sich selbst als Rollenträger in die Handlung ein und schaffen damit eine Distanz zwischen Dramenhandlung und Publikumserwartung. Im Epilog wird der Zuschauer in die gezeigte Bühnenhandlung einbezogen: „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!“