Wissensteil:
Alfred Döblin ist keiner Epoche eindeutig zuzuordnen: Die Anfänge seines literarischen Schaffens liegen im Expressionismus. Seinen größten Erfolg als Dichter feierte er als Autor der „Neuen Sachlichkeit“ mit dem Großstadtroman „Berlin Alexanderplatz“ in der Weimarer Republik. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Döblin aus Deutschland fliehen und schrieb im amerikanischen Exil weiter.
Kindheit und Jugend
Alfred Döblin wurde am 10. August 1878 als viertes Kind von Max Döblin und seiner Frau Sophie in Stettin geboren. Als der Vater die Familie verlassen und mit der wesentlich jüngeren Henriette Zander nach Amerika ausgewandert war, zog die Mutter mit den Kindern nach Berlin um. Nach dem Abitur studierte Alfred Döblin Medizin, Philosophie und Literatur in Berlin und Freiburg im Breisgau. In diesen Jahren beginnt er mit der Niederschrift eines ersten Romans.
Arzt in Berlin
Nach seiner Promotion zum Dr. med. ließ er sich als praktischer Arzt, später als Internist und Nervenarzt in Berlin nieder und gründete zusammen mit Herwarth Walden die expressionistische Zeitschrift „Der Sturm“. 1912 heiratete er Erna Riess, mit der er vier Kinder hatte. Sein Erzählband „Die Ermordung einer Butterblume“ erschien 1913. Im Ersten Weltkrieg war Döblin als Militärarzt im Elsass im Einsatz, was seine pazifistische Haltung wesentlich prägte. Zurück in Berlin wurde Döblin Augenzeuge der Märzkämpfe, trat 1918 in die USPD ein und kritisierte die SPD aus einer linken Position. In den folgenden Jahren schrieb er (teilweise unter Pseudonym) zahlreiche Artikel über das Leben in Berlin, aber auch Rezensionen zu Theateraufführungen und Filmen. Der junge Alfred Döblin war von Heinrich von Kleist, Friedrich Hölderlin und Friedrich Nietzsche beeindruckt, ihn begeisterte aber auch der technische Fortschritt der Großstadt. Beide Strömungen flossen später in seinen Roman „Berlin Alexanderplatz“ ein.
Exil
Im Februar 1933 floh Döblin mit seiner Frau vor den Nationalsozialisten zunächst nach Zürich, dann nach Paris. 1936 nahm er die französische Staatsbürgerschaft an. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 verfasste Döblin als Mitarbeiter des französischen Propagandaministeriums Flugblätter gegen das NS-Regime. Als die Deutschen weiter vorrückten, floh er mit seiner Frau nach Südfrankreich und über Portugal in die USA. In Los Angeles arbeitete er kurze Zeit für die Filmindustrie. 1941 trat Döblin mit seiner Familie zum Katholizismus über, was ihm die heftige Kritik der anderen Exilanten eintrug. Nach Kriegsende kehrte Döblin als einer der ersten Exilautoren nach Europa zurück. Er wurde als Literaturinspekteur der französischen Militärverwaltung mit der Zensur von Manuskripten in Deutschland betraut. Enttäuscht über die Restaurationspolitik der Regierung Adenauer und in Ablehnung des starren Dogmatismus in der DDR ging Döblin 1953 wieder nach Frankreich, wo er bis 1956 blieb. Am 26. Juni 1957 starb er in Emmendingen (Baden-Württemberg).
Kunstauffassung
Döblin äußerte sich zu seiner Kunstauffassung so: „So ist meine ganze Schreiberei immer solche unbeendete Bemühung gewesen, ein Heranpirschen an Einsichten. Ich habe im Laufe der Jahre eine Anzahl Bücher geschrieben. Kein Buch ist fertig. Ich bestreite, obwohl ich Mitglied der Akademie der Künste bin, dass meine Bücher etwas mit Kunst im heutigen Sinne zu tun haben. Ich tadle Kunst nicht, ich stelle nur fest: Ich habe immer eine Abneigung, einen Widerwillen gegen die Kunst gehabt, und meine geistige Tätigkeit dient anderen Dingen. Es handelt sich um einen ständigen Besinnungsakt. Es ist ein ununterbrochenes und ernstes Gespräch an die Wahrheit heran, eine Auseinandersetzung und Herausarbeitung dessen, was ich sehe und erfahre, und eine Stellungnahme dazu, ein Ja- und ein Neinsagen. Man kann auf verschiedene Weise denken. Wir gebrauchen das Wort denken nur für die Tätigkeit im Logischen und Abstrakten, ich bin der Meinung, man kann auch in Tönen denken, musikalisch, in Stein, bildnerisch, in Häusern, architektonisch, aber auch in Phantasieprodukten. Das sind alles verschiedene Arten, zum Teil Stufen des Denkens, und jeder Art wohnt Wahrheit inne, und wie die Berührung mit der abstrakten Wahrheit mit irgendeiner Erkenntnis erfreut und fördert, so erfreut und fördert und nützt die Berührung mit der Wahrheit und der Ordnung der Musik und der Literatur.“
(Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Mit einer Dokumentation. Rütten und Loening, Berlin 1978, S. 526 f.)